Das Klavierstimmen ist ein sehr komplexes Unterfangen, das man in der Regel nicht selbst machen sollte. Nicht umsonst dauert die Ausbildung dieses Berufs dreieinhalb Jahre, wobei selbst nach der Ausbildung nicht unbedingt gewährleistet ist, dass es sich bei dem Klavierstimmer nach dieser Zeit auch um einen guten Klavierstimmer handeln muss.
Gute Klavierstimmer werden mittlerweile immer seltener, weil der Beruf angesichts der hohen Anforderungen, die er stellt, sehr undankbar ist; er setzt sehr viel Ausdauer, Feingefühl, mechanisches Geschick und ein äußerst gutes Gehör voraus.
Worin besteht die Arbeit des Klavierstimmens?
Beim Spannen einer Saite gerät diese, ob man will oder nicht, in 3 Bereichen in unterschiedliche Spannung. Der erste Bereich (den wir hier A nennen) liegt um den Kapodaster herum, der mittlere Bereich (B) ist der Bereich, der für den Ton ausschlaggebend ist und der dritte Bereich verläuft vom Steg des Klaviers bis zum Saitenanhang (C).
Als Beispiel gehen wir von der häufigsten Situation aus, die darin besteht, dass eine Saite zu tief ist. Diese Saite muss also gespannt werden, wozu der Stimmschlüssel oder Stimmhammer auf den Stimmwirbel gesetzt wird. Dreht man den Schlüssel im Uhrzeigersinn, steigt der Zug im Bereich A und erst wenn die Kraft groß genug ist, um den Widerstand am Kapodaster zu überwinden, wird die Saite ebenfalls im Abschnitt B angezogen. Kommt der anzuschlagende Saitenteil B zur richtigen Tonhöhe, bestehen längs der Saite, wie bereits erwähnt, drei verschiedene Spannungen, die von den Bereichen A bis C abnehmend sind, denn im Abschnitt C bleibt zunächst die frühere, zu geringe Spannung erhalten.
Würde man die Saite in diesem Zustand lassen, so würde sie sehr bald wieder verstimmt werden, da die Spannungen dazu streben sich auszugleichen. In jedem Fall wird die Taste der behandelten Note nun sehr energisch und oft vom Klavierstimmer betätigt. Im idealen Endzustand müssten alle drei Teile der Saite gleiche Spannungen aufweisen. Um dies zu erreichen, geht der Klavierstimmer in Schritten vor: Zuerst muss die Saite im Bereich A und B so weit überspannt werden, dass der Abschnitt C genügend angezogen wird. Dann ist sie wiederum so weit zu lockern, dass B endgültig richtig klingt. Nun ist aber wiederum A zu wenig gespannt, was durch erneutes Anziehen (nicht so weit, dass B wieder höher wird) erneut ausgeglichen werden muss.
Die theoretische Beschreibung dieses Vorgangs ist natürlich viel einfacher als seine mühsame Verwirklichung, die nicht nur dazu dienen muss, die Spannungen für längeres Halten der Stimmung auszugleichen, sondern auch dazu, in den nicht angeschlagenen Saitenabschnitten die richtigen Obertöne zu verwirklichen und dabei hat dies alles mit erheblichem Kraftaufwand am Stimmhammer zu geschehen.
Es ist bei diesem komplizierten Vorgehen kaum möglich, die Saiten eines Chors in sich genau gleich zu stimmen. Das wäre aber auch gar nicht wünschenswert, denn eine kleine Verstimmung innerhalb eines Chors erzeugt ein leichtes Beben, das zum typischen, nicht starren Klavierton gehört und außerdem den Klang des Einzeltons nicht zu stark von temperierten, also unvermeidlich schwebenden Zusammenklängen abhebt.
Was sind die Teile A, B und C?
Wozu braucht man die Keile?